Ist ein 1.000-Teile-Puzzle komplex oder kompliziert? Die Adjektive komplex und kompliziert werden oft synonym verwendet. Dabei gibt es wesentliche Unterschiede zwischen einer komplexen und einer komplizierten Situation oder Problemstellung. Und diese haben Einfluss darauf, welche Herangehensweise zur Lösung geeignet ist. Es lohnt sich also, Dir das mal genauer anzuschauen!
Sind Ziele und Methode bekannt?
Die sogenannte Stacey-Matrix bietet eine gute Veranschaulichung der Unterschiede zwischen komplexen und komplizierten Situationen. In dieser Matrix wird zwischen dem WAS auf der einen Seite, also Ziele, Anforderungen und Rahmenbedingungen, und dem WIE auf der anderen Seite, also Methoden und Lösungsansätze unterschieden.
Ziel und Methode größtenteils bekannt – kompliziert
Wenn sowohl das WAS als auch das WIE komplett bekannt sind, dann handelt es sich um eine einfache, vertraute Situation. Wir wissen genau, was wir tun können, um das eindeutige, bekannte Ziel zu erreichen. Entscheidungen in diesem Bereich sind sehr leicht. Ein Beispiel: Du hast das Passwort für Deinen Social-Media-Account vergessen. Dein Ziel: Du möchtest ein neues Passwort einstellen, um Dich einloggen zu können. Deine Methode: Du schaust unter der Eingabemaske nach dem „Passwort vergessen?“-Link, klickst darauf und befolgst die entsprechenden Schritte. Schon nach wenigen Minuten hast Du diese einfache Situation gelöst.
Eine Situation ist dann kompliziert, wenn das WAS und/oder das WIE teilweise unbekannt sind. In diesen Situationen kommen wir mit Beobachten, Analysieren und dem Entwickeln von entsprechenden Prozessen in der Regel gut ans Ziel. Angenommen Du möchtest einen Blog starten und dazu eine Webseite erstellen. Es ist Deine erste Webseite. Du hast bereits eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie die Seite aussehen soll. Und Du weißt, dass es Webseiten wie WordPress gibt, mit denen Du einen Blog erstellen kannst, ohne Programmierkenntnisse zu haben. Außerdem weißt Du, dass es Youtube-Videos gibt, in denen Experten Dir Schritt für Schritt erklären, wie Du vorgehen kannst. Du brauchst zwar etwas länger für die Erstellung Deiner Webseite als für das Zurücksetzen Deines Passwortes, der Prozess ist jedoch bereits klar und vorhersehbar.
Einfache und komplizierte Situationen folgen klaren Ursache-Wirkung-Zusammenhängen: Wenn ich A mache, dann passiert B. In diesen Situationen sind meist Standardprozesse oder sogenannte Lean-Ansätze hilfreich.
Ziel und Methode größtenteils unbekannt – komplex
Je weniger von dem WAS und dem WIE bekannt sind, desto komplexer ist eine Situation. Wir wissen häufig gar nicht, wie viele und welche Faktoren relevant für die Situation sind. Und auch nicht, wie stark sich die einzelnen Faktoren auf die Situation auswirken oder ob sie sich sogar gegenseitig beeinflussen. In diesen Situationen ist es hilfreich, iterativ vorzugehen: ausprobieren, beobachten, anpassen, erneut probieren und wieder beobachten, was passiert. Mit jeder Schleife kommst Du dem Ziel dabei etwas näher bzw. wenn eine Methode nicht funktioniert hat, erfährst Du dies schnell und kannst eine andere ausprobieren.
Wenn Du Deinen Blog in einem Social-Media-Kanal so platzieren möchtest, dass er möglichst gut von vielen potenziellen Lesern gefunden wird, dann bist Du mit einer komplexen Situation konfrontiert. Es gibt zahlreiche Faktoren, die Du berücksichtigen kannst: Welche Bilder und welche Hashtags verwendest Du? Wie lang sind Deine Texte? Wie häufig postest Du Deine Beiträge und zu welcher Uhrzeit? Gerade zu Beginn ist es sinnvoll, wenn Du eine Strategie für einen gewissen Zeitraum ausprobierst, die Reaktionen beobachtest, Anpassungen vornimmst usw. Selbst wenn Du die vermeintlich perfekte Strategie gefunden hast, ändert sich gegebenenfalls der Algorithmus oder ein neuer Hashtag ist im Trend. Du solltest also kontinuierlich beobachten und Deine Strategie bei Bedarf anpassen.
Komplexe Situationen gehen meist mit den zusätzlichen Herausforderungen der Volatilität, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit einher. Aus den englischen Begriffen dieser Herausforderungen (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) ergibt sich das Akronym VUCA.
Ziel und Methode völlig unbekannt – Chaos
Wenn sowohl das WAS als auch das WIE komplett unbekannt sind, dann handelt es sich um eine chaotische Situation. Wir wissen nichts über die Situation und haben keine Strategien, die wir anwenden können, um ihr zu begegnen. Chaotische Situationen bieten häufig Raum für Innovationen, gleichzeitig gehen sie meist mit mehr Risiken einher als die bekannteren Situationen. In chaotischen Situationen können wir nur Versuchsballons starten und schauen, was passiert. Und so langsam von der chaotischen Situation hin zu einer komplexen Situation gelangen.
Da viele Parameter in komplexen oder chaotischen Situationen unbekannt sind, helfen die bekannten Standardprozesse dort nur bedingt. Agile Methoden sind in der Regel erfolgsversprechender.
Eine komplexe Situation kann sich zu einer komplizierten Situation entwickeln
Aus einer komplexen Situation kann eine komplizierte Situation werden. Wenn ein Team beispielsweise ein innovatives Produkt entwickeln möchte und zunächst noch nicht genau weiß, wie dieses Produkt aussehen könnte, welche Anforderungen die potenziellen Kunden haben usw., dann befindet es sich in einer komplexen Situation. Mit agilen Methoden wie dem Design Thinking kann das Team sich Schritt für Schritt seinem Ziel annähern.
Wenn das Produkt dann steht und im großen Stil produziert werden soll, handelt es sich um eine komplizierte Situation: Das Ziel ist klar und auch die Methoden sind im Kleinen bereits erprobt. Das Team braucht nun „nur“ noch, einen Prozess zu entwickeln, wie das Produkt so effizient wie möglich in großen Mengen hergestellt werden kann.
Zurück zum Beispiel des 1.000-Teile-Puzzles vom Anfang: Es handelt sich dabei um eine komplizierte Situation, da grundsätzlich alle Faktoren bekannt sind. Je mehr Übung Du hast, desto bessere Strategien entwickelst Du und desto schneller wirst Du es lösen.
Welche Begriffe oder Konzepte interessieren Dich?
Gibt es Begriffe oder Konzepte rund um New Work, Coaching und Persönlichkeitsentwicklung, zu denen Du gerne mehr wissen möchtest? Lass mir diese gerne in den Kommentaren da oder schreib mir eine Nachricht an info@luisabergholz.com. Dann gehe ich in einem der nächsten Posts darauf ein.
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